Neue Chance für obdachlose Menschen in Siegen

Bild: Sonja Becker der Alternative Lebensräume GmbH in einer von vier Wohnungen für Housing First - vier Chancen, heraus aus der Obdachlosigkeit, in ein neues Leben.

 

Alternative Lebensräume GmbH stellt weitere Immobilie für Housing First bereit

Die soziale und gemeinnützige Trägerin Alternative Lebensräume GmbH stellt jetzt eine weitere Immobile für das Projekt Housing First bereit. Die Trägerin und Wegbereiterin für das innovative Konzept von Housing First im Siegerland hat bereits zwei Mehrfamilienhäuser im Siegener Stadtgebiet dafür zur Verfügung gestellt. Nun kommt in Siegen-Weidenau ein weiteres hinzu. Hier werden vier Singlewohnungen für Menschen eingerichtet, die durch ein sicheres Mietverhältnis aus ihrer längeren Obdachlosigkeit in ein neues Leben finden können.

Housing First als eine Antwort auf Obdachlosigkeit

Die Hilfe durch Housing First ist anders, als bisher in der deutschen Wohnungslosenhilfe. Housing First setzt das Wohnen als ersten Schritt und beendet zuerst und bedingungslos die Obdachlosigkeit.

Es bedeutet nicht „housing only“. Sozialpädagogische Hilfen werden aktiv angeboten, stellen aber keine Grundbedingung dar, anders als das bei Angeboten ist. Housing First bedeutet für Personen, die darüber aus der Obdachlosigkeit herausfinden: „Hier bin ich geschützt und hier kann ich bleiben.“ Dieses Konzept überzeugte das Land NRW, den Paritätischen NRW und auch den Landschaftsverband Westfalen Lippe (LWL). Der LWL beteiligt sich an zwei der Housing First-Angebote von Alternative Lebensräume GmbH.

Zahl der Wohnungslosen steigt stetig auch im Kreis Siegen-Wittgenstein

Geschäftsführerin der Alternative Lebensräume GmbH, Sonja Becker: „Housing First ist eine Chance wieder in der Gesellschaft anzukommen und es ist auch eine Chance für die Städte, Wohnungslosigkeit dauerhaft zu verringern. Die Zahlen, auch für unser Kreisgebiet, sind alarmierend und sie steigen: Eine Schätzung aus 2023 nennt rund 678.000 Menschen, die in Deutschland wohnungslos sind. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, hat sich damit die Zahl gegenüber den Vorjahren um weitere 7% erhöht. Ca. 50.000 Männer und Frauen in Deutschland sind ohne jegliche Unterkunft, schlafen unter Brücken oder in Zelten oder auf Bänken. Im Kreisgebiet verzeichnen wir aktuell etwa 1.100 Menschen, die in Einrichtungen aufgrund von Wohnungsverlust leben. Darunter sind auch immer mehr Familien mit Kindern. 97 Personen gelten in Siegen sogar als obdachlos und müssen ordnungsrechtlich durch die Stadt in einer Notunterkunft, in einer Turnhalle oder im Container untergebracht werden, davon sind ca. 20 Personen weiblich und ca. 30 unter 25 Jahre alt. Die Notunterkünfte sind oft überfüllt und gewaltbesetzt, was gerade für Frauen, ein enormes Risiko darstellt. Die Zahlen spiegeln nicht das persönlich erlebte Leid dieser Personen wider. Jeder Schritt in eine eigene Wohnung ist ein guter Schritt.“ Auch für die Gesellschaft, Städte und Kommunen, stellt die steigende Wohnungsnot, bei steigenden Mieten und Nebenkosten, eine Herausforderung dar. Diese sind verbunden mit erhöhten Kosten für die Gesundheitsversorgung, sozialmedizinische Dienste und die Notunterkünfte. Kosten, die vermeidbar sind, durch neue Ansätze. Sonja Becker: „Durch die Mietwohnung mit einer „ganz normalen“ Anschrift wird auch Stigmatisierung vermieden. Mit der Sicherheit von einem Dach über dem Kopf, können sich die Betroffenen erholen, sich um Gesundheit und auch Arbeit kümmern sowie ihre Stärken wiederfinden. Laut einer Studie leiden 40 % der obdachlosen Menschen an einer psychischen Erkrankung, was ihre Fähigkeit, aus der Obdachlosigkeit herauszukommen, stark beeinflusst. Durch eine feste und sichere Bleibe kann sich ihr Leben rundherum verbessern. Wir sehen bei unseren Mieterinnen, die zum Teil bis zu fünf Jahre obdachlos waren, dass sie wieder Mut fassen, sich wieder um sich selbst kümmern, die aus eigener Scham abgebrochene Familienkontakte wieder herstellen, sich anvertrauen und darauf aufbauend, für sich und ihre Kinder, Perspektiven entwickeln.“

Es gibt Mittel und es gibt Wege – mit Engagement in der Region

In Finnland wird Housing First seit 2008 umgesetzt und dort sinkt die Zahl der Obdachlosen kontinuierlich und nachhaltig. Innerhalb von 10 Jahren wurden für Housing First 4.600 Wohnungen bereitgestellt. Die Zahl der Langzeit-Obdachlosen konnte zwischen 2017 und 2019 fast halbiert werden. Wenngleich anfänglich die Kosten für Erwerb, Bau und Renovierung anfallen, sei das immer noch weit weniger, als Obdachlosigkeit den Staat koste, heißt es von der Y-Foundation zur Umsetzung des Projekts in Finnland. Ob Finnland auf das Siegerland übertragbar ist, wird das weitere Engagement in der Region und durch Initiativen, wie die der Trägerin Alternative Lebensräume GmbH zeigen. Sie konnte bereits drei Immobilien mit 11 Wohnungen bereitstellen und dadurch dauerhaften Wohnraum für Obdachlose schaffen. Zum Teil seien die aus Mitteln des Housing-First-Fonds und Kunst von Gerhard Richter gefördert, zum Teil durch Unterstützung des LWL und auch durch Spendende aus der Region. Mit der weiteren Immobilie würden vier weitere Menschen aus der Obdachlosigkeit herausfinden, sagt Sonja Becker und beschreibt: „Zwei der Wohnungen in dem Haus sind sofort bezugsfähig. Aus der großen Wohnung entstehen zwei Singleappartements. Dies tun wir in Eigenleistung. Dennoch braucht es auch finanzielle Mittel für den Einbau eines zweiten Badezimmers zum Beispiel oder eine Küche.“ Auch im Siegerland zeigt sich, ähnlich wie in Finnland, dass die Menschen in einer Housing First-Wohnung dauerhaft aus der Obdachlosigkeit herauskommen können.

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