Früh übt sich: Demokratie

Partizipation als Grundlage kindlicher Selbstbildungsprozesse in der Kita Hannes

Kinderrechte sind Menschenrechte und gehören zu den Menschenrechtsschutzsystemen der Vereinten Nationen. Im November 1989 wurde die Konvention über die Rechte des Kindes verabschiedet. Zu den Kinderrechten zählen das Recht auf den Schutz vor Gewalt und Diskriminierung, das Recht der Kinder, sich und ihre Persönlichkeit frei zu entfalten, eine gute Versorgung, Bildung und Mitbestimmung. Darin integriert ist das Recht, sich eine eigene Meinung bilden zu dürfen und sie frei zu äußern. Das schließt auch das Recht auf Information ein.

Die Kinderrechte zu wahren und Kinder zu fördern und stark zu machen, ist Basis des Konzepts der Partizipation der Kita Hannes in Hilchenbach der Trägerin Alternative Lebensräume GmbH. Der Begriff Partizipation basiert auf dem lateinischen Wort „particeps“, das mit „teilnehmend“ übersetzt werden kann. Wie und in welchem Rahmen Mitbestimmung bereits bei den Kleinsten funktioniert, zeigt ein Besuch in der Kita Hannes. Es ist Freitag und bei den Kindern bekannt: Es ist der Ausflugstag. An diesem Tag werden verschiedene Ziele für eine Beschäftigung draußen angeboten, Spielplatz oder Wald zum Beispiel. Welches Kind worauf Lust hat, wird mit realen Fotos geklärt, so weiß das Kind, was es erwartet. Es kann sich gut auf das Ereignis einstellen, für das es sich entscheidet. Erzieher Jakob Bruch sucht seine „Schützlinge“ in den Räumlichkeiten der Kita auf. Es ist Freispielzeit und die Kinder können gruppenübergreifend mit Freunden und Geschwistern spielen. Einige nutzen in der Freispielzeit ein Malangebot, das Erzieherin Dan-Anh Nguyen begleitet, die wie auch andere aus dem Team bekräftigt, dass sich der Kitaalltag entspannt habe. Jakob Bruch geht zu Ida, die mit ihrem kleinen Bruder und mit anderen Kindern in einem Ruheraum Zeit verbracht hat, und zeigt ihr die Fotos. Ida nimmt ihre Wäscheklammer und heftet sie an das Wald-Foto. Im Ergebnis wollen mehr Kinder auf den Spielplatz als in den Wald und allen Wünschen kann entsprochen werden. Denn das Team ist stets im Dialog und darauf vorbereitet, die Betreuung sicher zu gewährleisten. Vorteil der Abfragen sei, dass die Kinder viel motivierter beim Anziehen wären. Es brauche keine Überredungskünste. Insgesamt fällt auf, dass selbst mit Gewusel im Flur die Stimmung harmonisch ist. Neben der Mitbestimmung beim Mittagessen oder der Freizeitgestaltung, spielt Mitbestimmung in der Kita Hannes auch bezüglich der Gestaltung von Kitafesten eine Rolle oder bei der Wahl der Kleidung, die auch mit den Eltern abgestimmt wird. Die Grenze von Partizipation der Kinder ist die der Sicherheit und Gesundheit. So gibt es auch Pflichtübungen für alle, zum Beispiel beim Brandschutz, oder es gibt Regeln wie bei der Umsetzung der Hygiene, die selbstverständlich eingehalten werden müssen.

 

Von stressfreieren Mahlzeiten und „Knopfdruck“ sowie motivierten „Überfliegern“

Die Achtung der Kinderrechte auf Information und Mitbestimmung beginnt schon am Eingang der Kita. Dort ist ein Knopf beim Speiseplan, und wer den drückt, erfährt durch eine heitere Ansage, was es diesen Mittag zu essen gibt. Das Kind entscheidet, neben wem es sitzen möchte, wie viel es essen mag und ob es einen großen oder einen kleineren Teller bevorzugt. Das gemeinsame Essen gestalte sich seitdem auch stressfreier. Die Mitsprache im Alltag wird auch von den Kindern positiv bewertet. So sagte ein Mädchen, dass es viel schöner sei, wenn sie mit ihrer Freundin zu Mittag essen kann.

Die „Astro-Kids“ bilden am Freitag eine Ausnahme. Für sie geht es nicht raus, sondern ins Weltall. Tim Fietze bietet das Weltallprojekt im Rahmen seiner Abschlussarbeit zum Erzieher an. Im Vorfeld hat er beobachtet und dann im Rahmen einer Kinderkonferenz abgefragt, ob sich die Kinder mit Weltall oder Baustelle befassen wollen. Das Weltall wurde präferiert und in einer Planungskonferenz wurden die interessierten Kinder danach befragt, was sie tun möchten. Astronautenhelme basteln, Rakete bauen und mehr wurde auf Plakate gemalt. Durch die Mitbestimmungsprozesse lernen die Kinder, dass ihre Entscheidungen Auswirkungen haben, auf sie und die Gruppe. Sie haben ihren Anteil an Verantwortung übernommen. Tim Fietze: „Meine Aufgabe ist es, die Ideen zu strukturieren, die Umsetzung vorzubereiten und altersgemäß anzubieten. Ziel ist es, die Erweiterung der Selbstkompetenz der Kinder zu fördern. Die Kinder haben Spaß daran, ihre Ideen zu realisieren und sind durchweg mit Begeisterung dabei.“ In dem Projekt des angehenden Erziehers spielt Partizipation von Anfang bis Ende eine tragende Rolle.

 

„Partizipation fördern ist auch ein gesellschaftlicher Auftrag.“

Kita Hannes Leitung Ines Juretzko: „Partizipation heißt nicht, alles zulassen, sondern eine gute Tagesplanung vorzugeben, in deren Rahmen sich die Kinder entscheiden können. Die höchste Form der Mitbestimmung in der Kita ist, wenn Kinder eigene Vorschläge machen und diese auch selber durchführen können. Wir unterstützen und begleiten sie dabei, auch wenn sie beispielsweise einen Morgenkreis leiten möchten. Die Kinder machen selbstaktiv Erfahrungen und lernen ihre Beziehungen zu gestalten. Sie können auch mal auf Abstand gehen, wenn sie das Bedürfnis haben. Die Kinder entwickeln eigene Lösungen und werden handlungskompetenter.“ Dabei kann man zuschauen. Eine Vierjährige steht vom konzentrierten Malen auf, geht zu ihrem Fach und sieht, dass ihr Pinguin weg ist. Sie beginnt zu suchen und sagt, dass sie ihren Pinguin vermisse und ob ihn jemand gesehen habe. Das alles geschieht unaufgeregt und keine 5 Minuten später ist der Pinguin gefunden, denn so weit weg war er nicht. Die Freude des Wiederfindens wird dann auch geteilt.

Eine lebendige Demokratie braucht Partizipation. Gelingende Partizipation wirkt Destruktivität entgegen, motiviert und setzt Energie frei. Menschen, die Lösungen entwickeln, Verantwortung übernehmen wollen und können nützen der Gesellschaft. Die Kinder werden durch das Konzept der Partizipation auf die kommende Entscheidungsvielfalt vorbereitet. In der Kita können erste Weichen für ein respektvolles und friedliches Miteinander gestellt werden und aus starken Kindern können Mitglieder einer starken Demokratie werden.

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